Johann Conrad Rutsch erblickte am 9.November 1793 als Sohn des Bauers Christoph Heinrich Rutsch in Dühren das Licht der Welt.

Mit vielen Geschwistern - er war das achte Kind - wuchs Conrad an der heutigen Raiffeisenstraße auf und lernte später das Schneiderhandwerk. Mit 16 Jahren verließ er sein Elternhaus und das ihm liebgewordene Dorf und ging wie alle Gesellen auf die Wanderschaft, um sein Wissen und Können zu erweitern.

Er kam zunächst nach Paris. Man schrieb das Jahr 1809. Damals waren Napoleons Soldaten im neugeschaffenen Großherzogtum Baden und der Pfalz unterwegs. Vielleicht haben Verbindungen zu ihnen das Interesse an Paris geweckt?

Lange hielt es ihn dort aber nicht. Er "wanderte" weiter nach London, wo er eine Stelle bei einem deutschen Meister fand. Nach geraumer Zeit zog er weiter, diesmal nach Osten, bis er in Petersburg - dem heutigen Leningrad - ankam. Arbeit fand er hier bei einem deutschen Juden, der - selbst nicht mehr bei guter Gesundheit - froh um den neuen Gesellen war. Fast erblindet mußte er sein Geschäft bald übergeben. Das war die große Stunde für Conrad Ruitsch. Er hatte den Mut, den Betrieb in eigener Regie zu übernehmen. 

Unter seiner Leitung florierte das Geschäft in dem er - wie erzählt wurde - bald 25 Gesellen, Schneider und Kürschner beschäftigte. Er wurde weithin bekannt und Hofschneider des Zaren Nikolaus I.

Durch seine Schneiderei und einem schwungvollen Pelzhandel brachte er es in Petersburg bald zu Wohlstand. 

Er heiratete eine baltendeutsche Gräfin und hatte mit ihr fünf Kinder, zwei Söhne und drei Töchter.

Dühren und seine zurückgebliebenen Familienangehörigen hat er nie vergessen und unterstützte sie nach Kräften.

Das ganze Dorf war auf den Beinen, als er 1834 mit Frau und Kindern vierspännig in Dühren einfuhr, denn seine Familie sollte das Dorf und seine Verwandten kennenlernen.

Seinen Dührener Angehörigen kaufte Conrad Rutsch ein Hofgut in der Nähe von Ladenburg. Als er wieder nach Rußland zurückfuhr, nahm er eine seiner Nichten mit, die in Petersburg den Deutschen Peter Beilstein heiratete. Der Onkel unterstützte die Nichte und sorgte dafür, daß ihr erstes Kind, ein Sohn, studieren konnte. Er wählte das Fach Chemie, und wurde später Professor an der technischen Hochschule in Petersburg.

 

 

Im Jahre 1839 übergab Conrad Rutsch Karl Friedrich Beilstein sein Geschäft und siedelte nach Mannheim über. Dort kaufte er 1842 das Palais Bretzenheim für 60 500 Gulden. Die Familie bewohnte  die weitläufigen beiden oberen Stockwerke und vermietete Büroräume im ersten Geschoß.

Die fürstlichen Gesellschaftsräume dienten nun bürgerlicher Geselligkeit. Zu den häufigen Gästen zählte auch der Oberhofgerichtsrat Friedrich Hecker aus Eichtersheim - ein Verwandter der Dührener Familie.

Das Palais wurde in den unruhigen Jahren um 1848 zum Versammlungsraum revolutionär gesinnter Bürger. Nach der gescheiterten Revolution von 1848 mußte Hecker, und eine Tochter von Conrad Rutsch sowie deren Ehemann Karl Leonhard Eißenhardt nach den Vereinigten Staaten von Amerika fliehen.

Conrad Rutsch starb 1872, fast 80-jährig und seine Frau im Jahre 1881. Seine Töchter bewohnten mit ihren Familien danach noch einige Jahre das Palais. Im Laufe der Zeit wurde das Haus jedoch zu groß und entsprach auch nicht mehr den modernen Wohnbedürfnissen.

Daraufhin entschlossen sich 1899 die Erben, das Haus für 600.000 Mark an die Rheinische Hypothekenbank zu verkaufen.

1890 verstarb der letzte Namensträger der Rutschs in Dühren. Doch von dem glanzvollen Aufstieg des Dührener Schneiders spricht man noch heute.

Quelle: Palais Bretzenheim (1782-88) - Die Bilder sind eventuell urheberrechtlich geschützt - weitere Fotos aus Mannheim 

Palais Bretzenheim - weiteres...

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Conrad Friedrich Beilstein (1838–1906)

* 17.2.1838 Sankt Petersburg (Russland), † 18.10.1906 Sankt Petersburg (Russland), evangelisch 
Prof. Dr. phil. – Professor, Chemiker

Werdegang:

  • Doktor der Philosophie
  • 1865 außerordentlicher Professor der Chemie in Göttingen
  • 1866 Direktor des Technologischen Instituts in Sankt Petersburg
  • 1881 Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Sankt Petersburg

Werke:

  • Handbuch der organischen Chemie, 2 Bde., 1880-1883, 4. Auflage hrsg. von der Deutschen Chemischen Gesellschaft, rev. von B. Prager, P. Jacobsen, Fr. Richter, 27 Bde., 1918-1937, Ergänzungsbände, rev. von Fr. Richter, 1828-1938 u. 1941 ff.

Familie

Vater:

Beilstein, Friedrich, * St. Petersburg 13.6.1803 (err.), † Sankt Petersburg 2.4.1865, 61 Jahre 10 Monate 1 Tage alt, begraben Sankt Petersburg, Wolkowo Friedhof, Schneidermeister und Kaufmann in Sankt Petersburg, soll mit Justus von Liebig verwandt gewesen sein, Sohn des Johann Martin Beilstein

Mutter:

Rutsch, Katharina Margarethe, * Dühren, Kraichgau, 19.3.1818, † St. Petersburg 7.5.1883, Tochter des Jakob Friedrich Rutsch, aus einer Weberfamilie, Pächter auf dem Petersauer Hof bei Mörsch (Rheinpfalz), und der Maria Catharina Weissert

Verwandte:

  • Rutsch, Johann Conrad <Onkel>, * Dühren 8.11.1793, arbeitete in London, Paris, Hofschneider des Zaren in St. Petersburg, ermöglichte Conrad Friedrich Beilstein das Studium, überließ sein Geschäft seiner Nichte Katharina Margarethe Beilstein, geb. Rutsch, zog 1838 wegen der Krankheit seiner Frau nach Mannheim und kaufte das Palais Bretzenheim, verheiratet mit Juliane von Duhren, aus Dorpat

Nachweise

Quellen:

  • Osteuropa-Institut, Regensburg, Erik-Amburger-Datenbank, "Ausländer im vorrevolutionären Russland"

Literatur:

  • NDB 2, 1955, S. 20 (Rudolf Ostertag);
  • Briefe zur Geschichte der chemischen Dokumentation und des chemischen Zeitschriftenwesens / Beilstein; Erlenmeyer. München, 1972;
  • Friedrich Konrad Beilstein, Chemiker zweier Nationen. Sein Leben und Werk sowie einige Aspekte der deutsch-russischen Wissenschaftsbeziehungen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Spiegel seines brieflichen Nachlasses / Elena Roussanova. Norderstedt

Bildquelle:

commons.wikimedia.org

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